Digitaler MuLiAb 2020

Leider kann unser traditioneller MuLiAb nicht stattfinden – oder doch? Diesmal in digitaler Variante … viel Spaß dabei.

In diesem Augenblick sollte eigentlich der Musikalisch-Literarische Abend 2020 beginnen.
Doch da Sie alle fleißig die Nachrichten verfolgen, sollte Ihnen auch klar sein, dass es angesichts der Corona-Pandemie unverantwortlich (und inzwischen sogar verboten) wäre, den MuLiAb durchzuführen, weshalb wir uns vor einigen Wochen dazu entschieden haben, ihn vorläufig abzusagen.
Aber ganz ohne geht dann auch nicht, haben wir uns gedacht, und darum gibt es nun einen kleinen digitalen Ersatz. Wir wünschen Ihnen viel Spaß dabei.

Liebe Schülerinnen und Schüler,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Eltern,
sehr geehrte Gäste unserer Schule, 

anlässlich des 150. Geburtstages unseres Namensgebers im letzten Jahr konnten wir einen musikalisch-literarischen Abend der besonderen Art erleben.
Im August begannen nach den Ferien erneut die Vorbereitungen. Ideen wurden entwickelt und verworfen, ein Motto gesucht und gefunden, Teilnehmer geworben und gewonnen – alles wie jedes Jahr.
Im Dezember fand die erste Probe statt, das Programm nahm Gestalt an.
Die Plakate hingen bereits aus, als uns am Freitag, dem 13. März, die Nachricht von den kommenden Schulschließungen erreichte.
In den nächsten Tagen galten unsere Anstrengungen der Aneignung neuer Unterrichtsstrategien, der Vertiefung unserer Freundschaft mit dem Lernsax-Programm sowie der Bewältigung der gegenwärtigen Situation im Allgemeinen.
Unser Schulkalender erinnert uns täglich an die vielen schon lange mit viel Engagement vorbereiteten Veranstaltungen, die nun verschoben werden oder ausfallen müssen.
Und dann kam auch der Tag, der uns an die Generalprobe letzten Montag und unseren MuLiAb erinnerte. – „Das ist aber schade.“ – Die Energie dieser Bemerkung in einer E-Mail aus dem Lehrerkollegium genügte: Einige E-Mails und noch mehr E-Mails später wird es hoffentlich gelingen, wieder einen MuLiAb der besonderen Art stattfinden zu lassen.
Außerordentlich großer Dank gilt Gabriel Muck, der alle Beiträge, von denen auch einige unvergessliche Eindrücke der letzten Tage schildern, zu einer anerkennenswerten Präsentation zusammengeführt hat.
Das Außergewöhnliche unseres diesjährigen MuLiAb wird sein, dass er dank unserer Schülerinnen und Schüler und der digitalen Möglichkeiten nicht ausfallen muss und dass wir Zeit haben, ihn wie geplant 18 Uhr oder auch morgen oder in den Ferien oder in einzelnen Abschnitten und später noch einmal von vorn anzusehen.
Gönnen Sie sich diese Zeit eines unvergesslichen Musikalisch-Literarischen Abends 2020.

Ines Frohs

MANOS, 08.04.2020


 

Ist der Zug jetzt etwa doch noch nicht abgefahren?

Wie Sie sicherlich alle mitbekommen haben, kann unsere, für den heutigen Abend angedachte Zugfahrt aufgrund von Störungen im Betriebsablauf bedauerlicherweise nicht wie geplant stattfinden. Wir bitten um Ihr Verständnis und hoffen, dass Sie dennoch einen schönen Abend mit etwas Kultur genießen können

— Mit freundlichen Grüßen, Ihr Zugchef —

 

 

Sie stehen also immer noch auf dem Bahnsteig? Wurde nicht gerade durchgesagt, dass Ihr Zug heute nicht fährt?

Oder geht es Ihnen etwa so wie dem Mann in dem folgenden Gedicht?


Bahnhofsluft

Der Bahnsteig leer, der Zug befüllt
Setzt schnaufend seine Reise fort
Nur ein Mann steht einsam da
Ganz hinten bei den Bänken dort

In seinen Augen kein Bestreben
In seinem Blick liegt Leere still
Selbst Tauben fangen an zu rätseln
Was das soll wohin er will

Und so ruhig es auch nun seien mag
In seinem Kopf da tobt die Schlacht
Warum sie nur gegangen war
Wann hatte er es falsch gemacht

Der Schlag der Uhr schallt leise tickend
Sekundenlang in kühler Nacht
So oft wie noch sein Atem geht
So oft hat er an sie gedacht

Und in dem Willen keinen Funken
Schwäche dieser Welt zu zeigen
Klingt kein Ton mehr seiner Stimme
Durch das selbstgerechte Schweigen

Nur das eine kann er nicht verhindern
Wenn niemand mehr sein Bangen sieht
Die Träne die auf seiner Wange
Ihre tiefe Furche zieht

Und weil man Schönheit nicht im Spiegel
Und Liebe an dem Wort erkennt
Dass er ihr gab obwohl die Zeit
Schon lange ihre Herzen trennt

Weil der Zug auf den er hofft
Vor Jahren abgefahren ist
Und er sie doch trotz aller Schmerzen
Mit jedem Schlag noch mehr vermisst

Bleibt er wohl auf immer stehen
Und atmet kalte Bahnhofsluft

— Julian Großmann, 12/4 —


Nun haben Sie sich hoffentlich endlich in die eigenen vier Wände begeben. Das wurde aber auch Zeit! Angesichts der aktuellen Situation ist es äußerst empfehlenswert, zum Stubenhocker zu mutieren – nicht nur zu Ihrer eigenen Sicherheit, sondern auch um alle anderen Menschen, insbesondere die Risikogruppen, zu schützen.

Auch heute Abend werden Sie nicht um das alles beherrschende Thema herumkommen. (Ich wünschte, ich könnte jetzt Ihre Gesichtsausdrücke sehen 😉 )
Jieoh Ahn aus der 7c hat sich mit den alltäglichen Problemen in Krankenhäusern auseinandergesetzt und eine Reportage darüber verfasst.


Toastbrotfabrik beziehungsweise Engpässe im Krankenhaus

Wie ein Magnet, denkt sich Dr. Janina Claußen, als ihr weißer Kittel die hoffnungsvollen Blicke der Patienten im Wartebereich auf sich zieht. Doch sie weiß nicht sofort, was jedem einzelnen fehlt. Genau das ist auch die größte Herausforderung für die Ärzte und Pflegerinnen: Wer muss wirklich dringend behandelt werden? Wen kann man dafür noch kurz warten lassen? Wie schlimm ist es denn tatsächlich?

Da Dr. Claußen weiß, dass sie im Ostflügel des Krankenhauses jetzt dringender benötigt wird, eilt sie ohne zu zögern durch die von dem kalten, aber beruhigenden Licht beleuchteten Gänge weiter. Ein schwerer Verlauf eines Covid-19-Patienten. Der 53-Jährige bekommt plötzlich kaum noch Luft mehr. Jetzt heißt es schnell Handeln für Claußen. „Ist noch ein Bett mit Beatmungsgerät im Flur G2 frei?“, wendet sie sich an die Krankenschwester, obwohl sie die Antwort schon längst kennt, während sie das Bett geschickt aus dem bisherigen Zimmer des Patienten manövriert. Nachdem sie zu viel wertvolle Zeit für das Suchen eines freien Beatmungsgerätes investiert haben, ist endlich ein solches im Westflügel gefunden. Zwar ist am Morgen noch relativ wenig los, aber schon jetzt kommt das Krankenhaus an seine Grenzen und es entstehen Staus aufgrund der wenigen Betten. „Es mangelt einfach an allen Ecken und Enden“, fasst Claußen die Situation zusammen. Denn es fehlen nicht nur die Betten und Beatmungsgeräte, sondern auch Schutzkleidung für das Personal sowie das Personal selbst. Unwillkürlich fällt ihr der Satz eines Kollegen ein: „Wir sind ja hier nicht in der Toastbrotfabrik und machen Toastbrot mit Toastmaschinen.“ Moderne Technik wie die benötigten Beatmungsmaschinen können die Behandlung zwar unterstützen, aber den Arzt nie ersetzen. Die rote Alarmlampe der Ambulanz leuchtet erneut auf und das Telefon darunter schellt. Noch eine Voranmeldung. Schon jetzt ist Claußen erschöpft und kann sich kaum noch an das letzte Mal, an dem sie wirklich geschlafen hatte, erinnern. „Hier wird einem zwar auch normalerweise nicht so schnell langweilig, aber seit Covid-19 ausgebrochen ist, zählt wirklich jeder Moment“, erklärt sie. Binnen weniger Sekunden muss sie entscheiden, welcher Patient jetzt Vorfahrt in diesem endlosen Stau hat. Doch sie hat gelernt, stets wachsam zu sein: Hinter scheinbar harmlosen Wehwehchen wie Kopfschmerzen kann sich auch eine Hirnblutung oder ein Schlaganfall verbergen. Und in diesen Zeiten sind selbst Gelenkschmerzen ernst zu nehmende Symptome für Covid-19. Unschlüssig darf sie trotzdem nicht sein. Nach kurzen Abwägen entscheidet sie: „Der Covid-19-Infizierte zuerst mal in den Raum D15. Und die Frau mit den gebrochenen Rippen muss sofort in den Raum A11 gebracht werden.“ Denn natürlich müssen auch während der sogenannten Corona-Krise „normale“ Fälle im Krankenhaus behandelt werden. Die gesamte Palette von Schwangerschaften über Schlaganfall zu Brandverletzungen. Noch während die Patienten weggebracht werden, kommt schon die nächste Flut von Voranmeldungen. Ärzte und Pflegerinnen schauen sich nun ratlos an, wo sollte man die neuen Patienten unterbringen? Kein einziges Bett ist mehr frei. Claußens Blick gleitet auf den sonst so leergefegten Flur, welcher nun 8 Patienten vorübergehend als Zimmer dient. Nervös beißt sie sich auf die Unterlippe; hier ist schon mal kein Platz mehr. In Gedanken geht sie schnell nochmal alle Zimmer durch, obwohl sie weiß, dass es sinnlos ist; alle Zimmer sind schon seit dem Morgen vollständig besetzt. Plötzlich fühlt sie sich einfach nur ausgelaugt und spürt wie gleichzeitig der Druck auf ihrem Brustkorb zunimmt. Ihre Beine fühlen sich schwach an und sie wünscht sich sehnlichst, sich nur kurz hinsetzen und verschnaufen zu können. Schon seit 2 Uhr morgens ist sie mit ihren Kollegen auf den Beinen und arbeitet einen Notfall nach dem anderen ab. Sie kann einfach nicht mehr. Der Druck nimmt weiterhin zu, bis es sich anfühlt, wie als müsse ihr Brustkorb gleich platzen, und selbst der gewohnte Desinfektionsgeruch sowie die kalten, blendend hellen Lichter verschaffen ihr Übelkeit. Unter der Atemmaske, welche sie aufgrund des Mangels schon seit Anfang des Tages trägt, bekommt sie kaum noch Luft. Wie der 53-Jährige am Morgen, denkt sie sich, aber jetzt wird man kein freies Beatmungsgerät mehr finden. Für einen kurzen Moment fühlt sich alles hoffnungslos an und sie denkt sogar an das Aufgeben: Wir können das Virus doch sowieso nicht aufhalten. Warum tun wir uns das alles dann an? Selbstmitleid hilft nicht weiter, kontert die andere Stimme in ihrem Kopf, und du wirst gerade von so vielen Menschen dringendstens gebraucht, redet sich Claußen wie öfter Mal in letzter Zeit  ein, um zu versuchen sich neuen Mut zu machen. Trotzdem verschwindet dieses Mal das beklemmende Gefühl der Aussichtslosigkeit nicht. Plötzlich aber ertönt das nervende Schrillen des Telefons erneut. Entkräftet geht sie an den Hörer, doch es ist gar keine Voranmeldung, auch die rote Alarmlampe leuchtet nicht auf. Verwirrt nimmt sie den Anruf entgegen. Und wie in Trance nickt sie immer wieder, bis ihr einfällt, dass ihr Gesprächspartner sie nicht sehen kann. Ein zögerliches „Ja…?“ entweicht ihren ausgetrockneten Lippen und sie kann es immer noch nicht glauben. Ihre Knöcheln treten weiß hervor, wie als würde sie sich an dem Hörer wie ein Schiffbrüchiger an einem Rettungsring festhalten. Selbst als schon längst aufgelegt wurde, behält sie den Hörer fest an ihr Ohr gepresst, wie als hätte sie Angst auch nur ein Wort zu überhören. Doch innerhalb weniger Sekunden hat sich Claußen wieder im Griff, die Helfer aus den anderen Krankenhäusern könnten schließlich jeden Moment eintreffen. „Diejenigen Patienten, welche ohne Komplikation transportiert werden können, werden zum überdachten Eingangsbereich gebracht. Die dann freigewordenen Betten werden den neu eingetroffenen Notfallpatienten zugewiesen.“ Claußen kann immer noch nicht fassen, dass sich tatsächlich Krankenhäuser und Kliniken in der Umgebung gefunden hatten, welche in der Lage waren einige Patienten abzunehmen. Als die Helfer schließlich eintreffen, ist sie schon längst wieder dabei, noch mehr Leben zu retten.

Ob es ein erfolgreicher Vormittag für Dr. Janina Claußen gewesen war? Die Hilfe hatte ihr neue Zuversicht gegeben, doch sie weiß es nicht genau. Aber falls dann diese provisorischen „Container-Krankenhäuser“ tatsächlich funktionieren sollten, wer weiß? Vielleicht  hatten sie dann eine Chance das Virus zu besiegen.

— Jieoh Ahn, 7c —


Angesichts dieser ausführlichen Schilderung könnte es uns – sowohl Ihnen als auch dem Zugpersonal – etwas leichter fallen, auf unsere Reise zu verzichten. Schließlich können wir Menschenleben retten, wenn wir so wenig wie möglich unser Haus verlassen.

Und  das tun inzwischen auch die meisten Menschen. Spätestens seitdem es gesetzlich festgeschrieben ist, dass wir nur noch mit bestimmten Gründen das Haus verlassen dürfen – und dabei auch bloß mit Mitgliedern der eigenen Hausgemeinschaft Kontakt haben sollen.
Vor ein paar Wochen – sogar schon nach der Schulschließung – sah das noch ganz anders aus. Viele haben sich mit Freunden getroffen oder sogar Partys gefeiert. Im nachfolgenden Text schildert Lara Neumann aus der 7c ihre Erfahrungen und Beobachtungen.


Der Wahnsinn des Gewöhnlichen

„Das Makaberste ist, wie beinahe spöttisch normal alles aussieht.“ Diese Gedanken schießen mir durch den Kopf, als mein Fahrrad sich einen Weg durch den Großen Garten bahnt. Es war der 19.03.2020, die erste Woche der Ausganssperre. In dieser Woche war noch nicht klar, was alles an Freizeitaktivitäten wegfallen würde, wie selbstzerstörerisch das menschliche Gehirn werden kann, wenn man es zu lange ohne Beschäftigung lässt. Und doch war ich beinahe dankbar, so neu in der kleinen „Natur- und Terrarienfreunde-AG“ zu sein, dass ich von niemanden die Nummer hatte. Einfach weil „hinfahren und nachgucken“ ein Grund war, aus dem Haus zu gehen. Trotz der Sorge, die anfing sich wie ein Feuer unter den Menschen auszubreiten. Auf dem Weg zum Großen Garten war alles normal, beinahe so normal, dass man vergessen könnte, dass sich gerade ein neuartiges tödliches Virus ausbreitet. Kurz bevor ich in den Park fuhr, hatte ich es beinahe vergessen. So viele Leute waren unterwegs, so viele sorglos aussehende Leute, mehr noch als gewöhnlich, wahrscheinlich, weil so viele Jugendliche dabei waren, die die freie Zeit mit Freunden verbrachten. Auf der letzten Ampel vor dem Park kam mir ein Mann auf dem Fahrrad entgegen, und für den Bruchteil einer Sekunde hielten wir Augenkontakt. Er trug eine Maske, ich nicht. Er zeigte die aufsteigende Panik, die das Virus mit sich brachte offen in seinem Blick, ich nicht. Und dann war der Moment vorbei, aber die Realität, in welcher Art von Gemeinschaft wir bald vielleicht leben müssen, schlug mir wie ein Haufen Ziegelsteine ins Gesicht. Dieser Umstand und meine Tendenz, schon bei den kleinsten Anzeichen von Gefahr alle möglichen und unmöglichen Wege, wie diese Situation in einer Katastrophe enden könnte, auszumalen, machten den Anblick von dem, was ich als nächstes sah, sehr viel schwerer, als ich dachte, dass er wird. Man stelle sich alles vor. Es ist knapp vor siebzehn Uhr, die Sonne strahlt mit klarem, gelben, nicht durch Wolken getrübten Licht von hinten auf die Szenerie. Das Gras wirkt grün, sattgrün, wie in dem Bild eines Kindes, was noch nicht gelernt hat, wie man Farben so mischt, dass ein Bild realistisch aussieht, und das einfach ein knallendes Grün an Stelle des Grases schmiert. Verschiedenste Vögel zwitschern laut, sehr laut, als wollten sie sich gegenseitig übertönen. Diverse Blumen, mehr als ich Pflanzenarten allgemein kenne, blühen gerade in voller Pracht. Mehr Leute, als ich je auf einmal im Großen Garten gesehen habe, sitzen überall, picknicken, spielen mit Bällen, lachen, rennen, fahren Rollschuhe. Alles sieht aus wie die übertrieben friedvoll gestalteten Sets in Filmen, kurz bevor das Monster angreift. Nur das hier die Farben wirklich so aussehen, wie ich sie sehe, und die Sättigung nicht in der Nachbearbeitung hochgedreht wurde. Und die Menschen sind keine Film-Extras, die dafür bezahlt werden, so glücklich und unschuldig wie irgendwie möglich auszusehen, um die Attacke des Monsters schrecklicher aussehen zu lassen. Diese Menschen wurden nicht dafür bezahlt, die drohende Gefahr so lange wie möglich nicht zu sehen. Während ich durch den Park fahre, streiten sich zwischen meinen Synapsen die Entfremdung darüber, wie grotesk diese Szenerie wirkt, wie sehr die apokalyptische Zukunft, die mir mein Gehirn beim Anblick des maskentragenden Radfahrers gezeigt hat sich von diesem fast schon lächerlich friedvollen Anblick unterscheidet, die Angst, so viele Menschen während einer androhenden Gefahr so sorglos zu sehen, und die Entspannung, die diese seltsame Normalität bewirkt, um den Vorrang in meinen Gedanken. Sekunden, nachdem die Entspannung gewinnt und ich mich wieder beruhige, komme ich an dem kleinen Häuschen an, in dem die heimelige Atmosphäre unserer kleinen AG auf mich wartet. Ich schließe mein Fahrrad ab, unwillig, jetzt schon den kurzen Moment ohne den drohenden Virus in meinem Hinterkopf aufzugeben. Aber alle Träume müssen irgendwann enden. Das kleine, handgeschnitzte Tor zu dem Kräutergarten ist offen, ich bemerke den laminierten Zettel daneben nicht, vielleicht will ich ihn nicht bemerken, das lässt sich im Nachhinein nicht feststellen. Alles um mich sieht normal aus, aber die Tür ist zu. Alles um mich herum schreit „Frieden! Alltag! Alles ganz gewöhnlich.“, aber der kleine Zettel sagt mir nach näherer Betrachtung, dass wegen der momentanen Krise keine Treffen mehr stattfinden können. Es sind Krisenzeiten. Ich schaue um mich, schaue, wie sich auf das Lachen und das Herumalbern der Menschen und in meinem Kopf, langsam wie ein Raubtier, das weiß, dass sein Opfer keine Chance mehr zu entkommen hat und gemächlich aus dem Dickicht kommt, eine Frage bildet, von der ich, ein in Friedenszeiten in einer liebenden Familie geborenes Kind, mir noch nie in der Klarheit gestellt habe.

Beginnt so das Ende?

— Lara Oyunaa Neumann, 7c —


Wenn Sie Kinder Zuhause haben, die sich langweilen, weil die Schule gerade geschlossen ist – und die so diszipliniert sind, nicht die ganze Zeit am Computer zu verbringen – dann empfehlen wir, einfach mal ein schönes Buch zu lesen.

Sogar alte Weltliteratur thematisiert manchmal Krankheiten und Epidemien, wie beispielsweise die Pest. Daher wird Ihnen nun Frau Frohs einen Auszug aus dem ersten Teil des berühmten Werkes „Faust“ präsentieren.

Das Läuten der Osterglocken bringt Faust, der bisher alt, einsam und unzufrieden in seinem Studierzimmer mit sich und der Welt haderte, in eine hoffnungsvollere Stimmung. Er beschließt, sich draußen in der Natur zu erholen. Nachdem Faust den Monolog, der als „Osterspaziergang“ in die Weltliteratur eingegangen ist, gehalten hat, hört er, was die Menschen sagen, und unterhält sich auch mit einem alten Bauern, der ihm für sein Wirken gegen die Pest dankt. Faust ist darüber nicht so erbaut, weil es ihn an die Grenzen seiner Wissenschaft erinnert.

— I. Frohs  —


Faust I – Szene „Vor dem Tor“ Verse 980ff

Alter Bauer

Herr Doctor, das ist schön von euch,
Daß ihr uns heute nicht verschmäht,
Und unter dieses Volksgedräng’,
Als ein so Hochgelahrter, geht.

So nehmet auch den schönsten Krug,
Den wir mit frischem Trunk gefüllt,
Ich bring’ ihn zu und wünsche laut,
Daß er nicht nur den Durst euch stillt;
Die Zahl der Tropfen, die er hegt,

Sey euren Tagen zugelegt.

Faust
Ich nehme den Erquickungs-Trank,
Erwiedr’ euch allen Heil und Dank.

Das Volk sammelt sich im Kreis umher.

Alter Bauer
Fürwahr es ist sehr wohl gethan,
Daß ihr am frohen Tag erscheint;
Habt ihr es vormals doch mit uns
An bösen Tagen gut gemeynt!
Gar mancher steht lebendig hier,
Den euer Vater noch zuletzt
Der heißen Fieberwuth entriß,
Als er der Seuche Ziel gesetzt.

Auch damals ihr, ein junger Mann,
Ihr gingt in jedes Krankenhaus,
Gar manche Leiche trug man fort,
Ihr aber kamt gesund heraus,
Bestandet manche harte Proben;
Dem Helfer half der Helfer droben.

Alle
Gesundheit dem bewährten Mann,
Daß er noch lange helfen kann!

Faust
Vor jenem droben steht gebückt,
Der helfen lehrt und Hülfe schickt.

Er geht mit Wagnern weiter.

Wagner
Welch ein Gefühl mußt du, o großer Mann!
Bey der Verehrung dieser Menge haben!
O! glücklich! wer von seinen Gaben
Solch einen Vortheil ziehen kann.

Der Vater zeigt dich seinem Knaben,
Ein jeder fragt und drängt und eilt,
Die Fiedel stockt, der Tänzer weilt.
Du gehst, in Reihen stehen sie,
Die Mützen fliegen in die Höh’;

Und wenig fehlt, so beugten sich die Knie,
Als käm’ das Venerabile.

Faust
Nur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein,
Hier wollen wir von unsrer Wandrung rasten.
Hier saß ich oft gedankenvoll allein

Und quälte mich mit Beten und mit Fasten.

An Hoffnung reich, im Glauben fest,
Mit Thränen, Seufzen, Händeringen
Dacht’ ich das Ende jener Pest
Vom Herrn des Himmels zu erzwingen.

Der Menge Beyfall tönt mir nun wie Hohn.

O könntest du in meinem Innern lesen,
Wie wenig Vater und Sohn
Solch eines Ruhmes werth gewesen!
Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann,

[…]

Wagner
Wie könnt ihr euch darum betrüben!
Thut nicht ein braver Mann genug;
Die Kunst, die man ihm übertrug,
Gewissenhaft und pünctlich auszuüben.

Wenn du, als Jüngling, deinen Vater ehrst,
So wirst du gern von ihm empfangen;
Wenn du, als Mann, die Wissenschaft vermehrst,
So kann dein Sohn zu höhrem Ziel gelangen.

Faust
O! glücklich! wer noch hoffen kann

Aus diesem Meer des Irrthums aufzutauchen.
Was man nicht weiß das eben brauchte man,
Und was man weiß kann man nicht brauchen.
Doch laß uns dieser Stunde schönes Gut,
Durch solchen Trübsinn, nicht verkümmern!

[…]

Betrachte wie, in Abendsonne-Glut,
Die grünumgebnen Hütten schimmern.

Sie rückt und weicht, der Tag ist überlebt,

Dort eilt sie hin und fördert neues Leben.
O! daß kein Flügel mich vom Boden hebt,

Ihr nach und immer nach zu streben.

Ich säh’ im ewigen Abendstrahl
Die stille Welt zu meinen Füßen,
Entzündet alle Höhn, beruhigt jedes Thal,
Den Silberbach in goldne Ströme fließen.

[…]

Wagner
Ich hatte selbst oft grillenhafte Stunden,
Doch solchen Trieb hab’ ich noch nie empfunden.
Man sieht sich leicht an Wald und Feldern satt,
Des Vogels Fittig werd’ ich nie beneiden.
Wie anders tragen uns die Geistesfreuden,

Von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt!

Da werden Winternächte hold und schön,
Ein selig Leben wärmet alle Glieder,
Und ach! entrollst du gar ein würdig Pergamen;
So steigt der ganze Himmel zu dir nieder.

Faust
Du bist dir nur des einen Triebs bewußt,
O lerne nie den andern kennen!
Zwey Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,
Die eine will sich von der andern trennen;

Die eine hält, in derber Liebeslust,

Sich an die Welt, mit klammernden Organen;
Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust,
Zu den Gefilden hoher Ahnen.
O giebt es Geister in der Luft,
Die zwischen Erd’ und Himmel herrschend weben,
So steiget nieder aus dem goldnen Duft
Und führt mich weg, zu neuem, buntem Leben.

[…]

J. W. von Goethe, Der Tragödie erster Teil


Doch während Faust am Tage spazieren geht und sich mit anderen Leuten trifft – was wir Ihnen übrigens keineswegs empfehlen können, falls Sie nicht auf eine unangenehme Begegnung mit der Polizei hoffen – wählt Julietta aus der 7c die Nacht, um etwas frische Luft zu schnappen und Beobachtungen zu tätigen.


Nächtliche Erlebnisse

Zuerst ist da nur die Dunkelheit. Dann zeichnen sich langsam erste Gegenstände ab. Ein Baum. Eine Treppe. Dann erst traut man sich, normal zu laufen und hat nicht mehr das Bedürfnis, auf allen Vieren voranzutasten. Auf der Wiese entdeckte ich einen Schatten, der sich langsam bewegte. Der Schatten kommt  näher und gibt sich zu erkennen. Es ist eine Katze aus der Nachbarschaft, die sich offenbar darüber wundert, so spät noch jemanden hier draußen vorzufinden. Das hält sie allerdings nicht davon ab, sich ihre Streicheleinheiten zu holen. Es fühlt sich merkwürdig an, diese Wärme, dieses weiche Fell mitten in der leeren Kälte der Nacht. Lange bleibt die leise Jägerin aber nicht. Sie streunt wieder weiter umher, auf der Suche nach einer Maus, einer großen Spinne oder einem unvorsichtigen Vogel. Ein bisschen beneide ich sie um ihre Augen. Um ihre Fähigkeit, sich im Dunkeln zu orientieren. Doch die Katze war nur ein kleiner Teil meines nächtlichen Ausfluges an die frische Luft und es wurde Zeit, noch etwas Neues zu probieren. Da ich nun eine freie Fläche vor mir hatte, erschien mir nun der richtige Zeitpunkt gekommen zu sein. Meine Schritte beschleunigten sich und schließlich rannte ich, so schnell ich mich traute, über die Wiese. Ich hatte immer noch ein mulmiges Gefühl, da ich meine Füße kaum sehen konnte. Plötzlich streift etwas meinen Kopf und mein Herz setzte für einen Moment aus, dann wurde mir klar, dass es nur ein tief hängender Zweig gewesen war. Ich hätte nie gedacht, dass ich immer noch so angespannt sein würde. Aus dem Augenwinkel nehme ich eine Bewegung wahr. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es wieder die Katze ist und hole mein Handy aus meiner Jackentasche, um mir etwas Licht zu machen. Der Anblick, der sich mir bietet, ist erstaunlich. Auf einem etwa anderthalb Meter hohem Erdberg steht eine grau-weiß-getigerte Katze und starrt ins Gestrüpp am Rand des Erdberges. Ich kenne sie schon, da sie sich immer auf unseren Kaninchenstall legt und gerne mal in unserem Garten herumstromert. Ich folge ihrem Blick und sehe, ins Gebüsch geduckt, die grau getigerte Katze wieder, die mir vorher schon begegnet war. Sie starrte zurück auf ihre Artgenossin und spannte ihre Muskeln an. „Wehe, wenn ihr euch angreift!“, meinte ich zu den Beiden, denn zwei kämpfende Katzen waren jetzt wirklich das Letzte, was ich oder meine angespannten Nerven gebrauchen konnten. Dummerweise scheint auch Katzen das, was sie nicht tun sollen, unglaublich zu reizen und um mir das zu beweisen, begann die braune Katze damit, ihrem Gegenüber mit einem Gemisch aus Maunzen, Knurren und Fauchen zu drohen, womit sie mir einen Schauer über den Rücken jagte und ich zum ersten Mal die Bedeutung des Wortes Katzenkonzert richtig verstehen konnte. Plötzlich schoss die kleinere, aber unglaublich mutige braune Katzendame auf ihre Kontrahentin los, was diese dazu veranlasste, mit einem empörten Maunzen schnellstens die Flucht zu ergreifen. Beide Katzen überquerten innerhalb einer Sekunde die Straße und waren die nächste Auffahrt schon halb hinaufgesprintet, als die Braune es leid war, zu rennen und mit pendelndem Schwanz und stolz erhobenem Kopf  stehen blieb. Das nächtliche Konzert der Siegerin hatte meinen Herzschlag beschleunigt und ich entschied mich dazu, meine nächtlichen Studien in einer anderen Nacht fortzusetzen, und jetzt wieder nach drinnen und ins Licht zu gehen. Mein Handy war damit sehr einverstanden, da das Blitzlicht, welches mir als Taschenlampe gedient hatte, den ohnehin schon strapazierten Akku des Geräts fasst vollkommen verbraucht hatte. Zum Glück war mein Schlüssel immer noch in meiner Jackentasche und ich konnte mich kurze Zeit später wieder der Dunkelheit widmen, nämlich indem ich mich ins Bett legte, und meine Augen schloss. Das Konzert der Katzen verfolgte mich noch einige Zeit, allerdings konnte ich ja glücklicherweise ausschlafen.

— Julietta Tauber, 7c —


Wie Sie sicherlich schon bemerkt haben, sind Beiträge aus der 7c überdurchschnittlich häufig vertreten. Das liegt auch an der wunderbaren Methode des Fern-Unterrichts.

Aber nicht bloß die Schule findet nicht normal statt, auch für viele kulturelle Angebote sieht es in der momentanen Situation nicht so gut aus. Doch es gibt auch online, so wie wir es hier gerade tun, eine große Menge an tollen Kulturangeboten.

Museen – wie beispielsweise die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden – veranstalten live-Übertragungen von Museumsführungen.

Auch andere Kultureinrichtungen – wie das Festspielhaus HELLERAU die Staatsoperette Dresden oder das Staatsschauspiel Dresden –haben Online-Angebote während der Corona-Zeit.

Kulturgeflüster“ ist ein Projekt, welches sich mit allen möglichen Kulturveranstaltungen in Dresden beschäftigt. Vielleicht finden Sie dort eine Veranstaltung, die Sie interessiert.

Novalution – die Band, die die meisten von Ihnen wahrscheinlich noch von den vergangenen Musikalisch-Literarischen Abenden kennen – wäre heute unser musikalischer Höhepunkt gewesen. Sie haben aber auch einen YouTube-Kanal, auf welchem Sie die ganzen tollen Lieder finden können.

Und auch die Klimakrise macht in Zeiten der Coronakrise keine Pause – daher gibt es von Fridays For Future regelmäßige Livestreams zu verschiedensten Themen, die mit dem Klima zu tun haben. Doch in der aktuellen Situation ist es besonders wichtig, Solidarität zu zeigen, weshalb sich FFF auch dabei engagiert, andere Menschen in zahlreichen Aktionen zu unterstützen, beispielsweise die Tafel, welche gerade Probleme hat, da die meisten ehrenamtlichen Mitarbeiter zur Risikogruppe gehören.

Vielen Leuten geht es momentan so – man ist Zuhause und weiß nicht, was man machen soll. Lea Nicolas aus der zwölften Klasse hat sich damit  auseinandergesetzt und zeigt interessante Vorschläge für den Zeitvertreib.


Die Entkernung der Erdbeeren und andere To-do´s

#COVID19 #StayAtHome #VALORANT

Wenn ihr genau wie ich in den letzten Wochen bemerkt haben solltet, dass Twitterdiskussionen noch immer sehr unterhaltsam sein können und euer Facebookprofil schon wieder herrlich verstaubt ist, seid ihr bestimmt auch schon über mehrere dieser Hashtags gestolpert. (Wenn euch letzterer nichts sagt, fühlt euch nicht verloren, ich habe auch Google zu Rate ziehen müssen … es ist ein Videospiel.)

Das Ende der Menschheit naht, so scheint es, wenn man sich die ganzen Tweets und sonstige Meinungen im Internet zu Gemüte führt. Ab und zu habe ich das Gefühl, selbst die Hühner im Hühnerstall sind nicht in so einer Panik ausgebrochen, als plötzlich die in einem Kinderlied besungene Oma mit ihrem bestimmt noch nicht ganz so umweltfreundlichen Motorrad durch die Tür gebrettert kam. Aber nun ja, so oder so, irgendwo ist die Panik da und viel mehr als mit ordentlichen Argumenten – These, Begründung, Beispiel – diskutieren kann man an dieser Stelle als Normalsterblicher vermutlich auch nicht. Bei mir persönlich kommen leider immer öfter Klagen an, die mir das Gefühl vermitteln, ich hätte erstaunlich viele Pessimisten in meinem Freundeskreis – oder ich wäre ein sehr schlimmes Kellerkind. Ich weiß nicht, welche dieser Erklärungen mich mehr beunruhigt.

Doch die Rettung naht: Wer die Lage zumindest mit ein bisschen Optimismus angeht, erkennt schnell den Spaß daran, während der gemeinsamen Unterrichtsstunde mit Bademantel bekleidet und einem guten Erdnussbutterbrot vor dem Laptop zu sitzen und sich gelegentlich mit seiner qualitativ hochwertigen Meinung am Gespräch zu beteiligen. Nicht so wie in der Chemie, in der der Konsum deines wohlverdienten Pizzabrötchen einen Streit mit der Hausordnung auslösen könnte.

Das Kapitel über Lernsax und die Vor- und Nachteile des Fernunterrichts kann ich an dieser Stelle vermutlich herunterkürzen, da ihr selbst zu genau wisst, wie das so ist. Ich weiß bereits von einer Person, dass sie sich die Problematik als Thema für einen Aufsatz ausgesucht hat. Sie war bestimmt nicht die Einzige, oder?

Kommen wir daher lieber zum Rest des Tages. Ein absolut kaputter Biorhythmus dürfte bei den meisten Menschen spätestens jetzt Programm sein. Ich habe mich selbst mittlerweile oft genug dabei erwischt, wie ich fünf Minuten vor der Deadline meine Interpretation abgeschickt, noch nachts um fast zwei die angefangene Staffel Peaky Blinders zu Ende geschaut oder nachmittags mit einem Kumpel geskypt habe. Ich sollte vielleicht an der Stelle anmerken, dass er momentan ein Auslandsjahr in Japan macht und das Gespräch deswegen in seiner Zeitzone so von Mitternacht bis halb drei lief. Ein internationales Problem also, wie ihr merkt.

Mit den Diskussionen, ob man in dieser Zeit besonders kreativ sein sollte oder aber einfach nur faulenzen kann, seid ihr vermutlich ebenfalls vertraut. Erst vor einigen Tagen habe ich durch eine Freundin das wundervolle Wort „Prokrastinationskröte“ kennengelernt, welches ich euch nicht vorenthalten kann. Die einen Zeitgenossen malen, musizieren und lernen neue Sprachen, während die anderen gutefrage.net konsultieren, um herauszufinden, ob ihr entspannter, bewegungsarmer Lebensstil noch als gesund durchgeht.

Ich habe es mir an der Stelle einfach mal erlaubt, eine Liste mit einigen Aktivitäten zu erstellen, die im Internet als besonders schöner Zeitvertreib angepriesen werden: 

  1. Hände waschen: Hygiene ist ohnehin immer gut, vor allem, wenn man dabei mit engelsgleicher Stimme singen und damit seine Mitbewohner bei Laune halten kann. Die vielen Jahre Musikunterricht müssen sich ja ausgezahlt haben!
  2. Staubsaugen: Vielleicht eine überschätzte Tätigkeit, aber wenn man schon mal nichts zu tun hat und sein Bücherregal bereits mehrmals nach Autoren, Farben, Seitenzahl und Anzahl der Buchstaben im Titel sortiert hat, kann man sich ja auch dem Boden widmen. Die Verunreinigungen merkt man zwar meistens erst dann, wenn sie schon nicht mehr in vollem Maße zu beseitigen sind, aber Schwamm drüber.
  3. Ein Bild von einer Klopapierrolle malen: Eine perfekte Lösung für die, denen die Artchallenges auf Instagram mittlerweile zu langweilig geworden sind. Wieso nicht lieber ein ästhetisches Motiv nehmen, welches sich bestimmt auch noch gut verkaufen lässt, egal ob man wie Michelangelo oder ein etwas ungeschickter Picassonachahmer malt?
  4. Klopapier und Essensvorräte zählen: Als mathematisch geförderte Zeitgenossen sollten wir wohl in der Lage sein, diese verantwortungsvolle Aufgabe zu übernehmen. Viele Bücher und Filme vernachlässigen diesen Aspekt in ihren Schreckensszenarien zwar viel zu oft, aber glaubt mir, der Überblick ist wichtig. Spätestens beim Durchstöbern der Supermarktregale werdet ihr merken, dass ihr wohl eine Weile ohne euren süßen Brotaufstrich auskommen müsst und Hamsterkäufe einfach nur aggressiv machen.
  5. Filme und Serien schauen: Ob Game of Thrones oder irgendeine schöne Produktion, die niemandem etwas sagt: Es gibt eigentlich immer etwas, was man noch nicht gesehen hat oder noch einmal schauen kann. Aus eigener Erfahrung kann ich euch sagen, dass lange Serien sich wirklich perfekt dafür eignen und ihr lieber nicht in übermüdetem Zustand einen Marathon starten solltet, bei dem ihr nacheinander Forrest Gump, Der Gladiator und Bridge of Spies schauen wollt. Glaubt mir, das geht einfach nur schief. Mir persönlich wurde momentan gefühlt alles von Lucifer über Good Omens bis hin zu Columbo empfohlen.
  6. Videoanrufe: Eignen sich perfekt, um mal wieder andere Zimmer zu sehen, sich über Langweile aufzuregen und ganz nebenbei Filme über das Leben in Quarantäne und alternative Versionen zur Dark Knight Trilogie zu plotten. Seien wir ehrlich, wenn wir Batman oder einer der Bösewichte wären, würden wir uns wohl nicht so kompetent anstellen und der Film würde ganz anders enden. Sieht sich noch jemand von euch im Labor stehen und ein Toxin zusammenstellen, welches keine Angst hervorruft, sondern euch lahmlegt, bevor ihr die Versuchsreihe überhaupt fortführen könnt? Das ist auch nur eines der etlichen Beispiele, die mir in dem Zusammenhang so spontan einfallen.
  7. Mit gutem Gewissen einen Mittagsschlaf machen, weil der eigene Schlafrhythmus bekanntlich ohnehin nicht mehr zu retten ist. Wenn schon kaputt, dann bitte ordentlich.
  8. Lesen und daraufhin die Verfilmung ansehen: Was gibt es schon besseres, als sich über den Film aufzuregen, allein schon aus Prinzip? Passiert ja oft genug, dass die Handlung verändert wird, die Schauspielleistung versagt und man sich schwört, diese Art der Sünde nie selbst zu begehen.
  9. Sprachen lernen: Wer mit seinem Englisch und Französisch oder Latein nicht ohnehin schon genug um die Ohren hat, hat nun die ideale Gelegenheit, sich einem neuen Experiment zu widmen. Wie wäre es mit Irisch, Litauisch, Isländisch oder Bulgarisch? Hört sich verrückt an – ist es auch – ihr werdet diese Sprachen vermutlich nie brauchen und am Anfang als lustig klingend und gewöhnungsbedürftig empfinden, aber glaubt mir, am Ende fühlt ihr euch sogar schlauer. Für die coolen Nerds unter euch sind bestimmt auch die Kurse für Valyrisch und Klingonisch interessant, nur mal so als Tipp.
  10. Lustige Frisuren austesten: Es gibt doch bestimmt einige YouTuber, die sich freuen, wenn sich mehr Menschen ihre Tutorials ansehen, oder? Außerdem fällt es da gleich viel weniger auf, dass man sich nicht mehr daran erinnern kann, wann man das letzte Mal die Haare gewaschen hat. Das nennt sich wohl Win-win-Situation!
  11. Erdbeeren sezieren, in dem man vorsichtig die Kerne an der Oberfläche entfernt: Eine sehr einzigartige Beschäftigung, wenn ihr mich fragt. Perfekt geeignet für all diejenigen, die das Experimentieren im Unterricht vermissen und sich fragen, wozu die Kerne überhaupt da sind.
  12. Pancakes backen: Ihr wollt nicht wissen, wie schön man Menschen schockiert, wenn sie feststellen, dass das Mehl schon wieder alle ist. Bei einigen Bekannten haben solche Situationen bereits zu ersten Back- und Kochverboten geführt.

Eine meiner Lieblingsbeschäftigungen während dieser Zeit ist aber vermutlich das Schreiben von Geschichten geworden. Was gibt es schon besseres, als mit lauter verrückten Leuten zu kommunizieren, absurde Recherchen vorzunehmen und seine erfundenen Charaktere liebevoll als Kinder zu bezeichnen? Vor allem dann, wenn sie gerade eben brutal geworden sind und man ihnen alles verzeiht, damit die Spannungskurve des Werkes stimmt. 

An dieser Stelle kann ich wohl nicht anders, als jegliche Autoren – egal ob die mit den Bestsellern oder die, die noch immer an ihrem ersten Entwurf sitzen – als eine sehr besondere Spezies zu bezeichnen. Die Klischees sind zwar oftmals etwas weit hergeholt, doch es ist faszinierend, wie diese Menschen die Arbeit im Home Office meistern, nur um daraufhin weiter an ihren Geschichten zu arbeiten. In der Community werden Ideen ausgetauscht, motivierende Worte geteilt, Erfolge in die Welt geschrien und auch immer mal wieder die Stoppuhren gestellt. Wie soll man sonst aus einer Schreibblockade kommen, in der man recherchiert und Serien konsumiert, nur um dies als Inspirationssuche und damit für das Schreiben produktive Zeit abzutun? Falls ihr also mal dringend unsortierte Informationen zum System der Royal Ballet School in London, der Bedeutung der Ranunkel in der Sprache der Blumen oder aber den Talsperren diverser russischer Städte braucht: Wir finden bestimmt schnell jemanden, der euch da weiterhelfen kann!

Als Gegenleistung habt ihr ja vielleicht sogar einige Antworten auf die Fragen, mit denen mich erst neulich eine Freundin konfrontiert hat. Um sie an dieser Stelle zu zitieren: „Prüfungen? Was sind Prüfungen? Was ist RL? Was sind soziale Kontakte? Was ist dieses „draußen“, wo man nicht hingehen darf?“

Wenn ihr denkt, dass in der Schreibgruppe starker Gegenwind kam, muss ich euch enttäuschen. Um diesen Wind überhaupt spüren zu können, müsste man ja wahrscheinlich in diese mysteriöse Außenwelt gehen, eine grausige Vorstellung. Ist ja klar, dass das keiner machen wollte, nicht einmal zu Forschungszwecken.

Laut einigen Antworten handelt es sich bei diesem „Draußen“ um etwas Ominöses, wo irgendwelche komischen Leute hingehen. Es wäre möglich zu behaupten, dass es genauere Infos gibt, aber das wäre wohl eine Lüge, ganz zu schweigen von den sozialen Kontakten.

Die eher knappe Antwort auf die Frage war aber auch schnell vergessen, als wieder jemand einen word sprint ankündigte, um zu sehen, wer in der Gruppe in der nächsten Viertelstunde wie viele Worte zu Papier bringen würde. Man braucht schließlich immer wieder mal lustige Formulierungen, die das Gehirn eben so ausspuckt, wenn es unter Zeitdruck kreativ sein soll.

Doch um an dieser Stelle einmal meiner Vorbildrolle als Person nachzukommen, die ihrem Jahrgang im Sportunterricht leidenschaftlich die Vorteile von Faszienrollen nahegebracht hat – jetzt einmal ohne Witz, diese bunten Gerätschaften machen sich immer gut: Vergesst bitte auch in diesen Wochen nicht, wie man sich bewegt … und vielleicht auch nicht die Wege außer denen zwischen Bett, Toilette und Kühlschrank.

Und nun, gehabt euch wohl, bleibt gesund und seziert schön fleißig eure Erdbeeren!

— Lea Nicolas, 12/1 —


In vier Tagen wären die meisten von uns wahrscheinlich irgendwo an der frischen Luft unterwegs – um Ostereier und andere Geschenke zu suchen oder einen schönen Spaziergang mit entfernten Verwandten zu machen, die man bloß äußerst selten trifft. Stattdessen müssen alle überlegen, was man alternativ alles machen kann. Da fällt Ihnen doch mit etwas Kreativität bestimmt genug ein, oder?

Auch Goethe thematisiert die Osterzeit, als er Faust einen Monolog über den Frühling halten lässt. Mit dem „Osterspaziergang“ möchten wir das heutige Programm beenden und wünschen Ihnen allen auch in diesen Zeiten ein besinnliches Osterfest auch ohne „buntes Gewimmel“ im Kreis der Familie.


J. W. Goethe, Osterspaziergang (aus: Faust I (1808) – Szene „Vor dem Tor“ V. 902ff)
Faust

Vom Eise befreyt sind Strom und Bäche,
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick,
Im Thale grünet Hoffnungs-Glück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.
Von dorther sendet er, fliehend, nur
Ohnmächtige Schauer körnigen Eises
In Streifen über die grünende Flur;

Aber die Sonne duldet kein Weißes,
Ueberall regt sich Bildung und Streben,
Alles will sie mit Farben beleben;
Doch an Blumen fehlts im Revier,
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.

Kehre dich um, von diesen Höhen
Nach der Stadt zurück zu sehen.
Aus dem hohlen finstren Thor
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.

Sie feyern die Auferstehung des Herrn,
Denn sie sind selber auferstanden,
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks- und Gewerbes Banden,
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.

Sieh nur sieh! wie behend sich die Menge
Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
Wie der Fluß, in Breit’ und Länge,
So manchen lustigen Nachen bewegt,
Und, bis zum Sinken überladen
Entfernt sich dieser letzte Kahn.

Selbst von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,

Zufrieden jauchzet groß und klein:

Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s seyn.

J. W. von Goethe, Der Tragödie erster Teil

Quellennachweis Faust: J. W. Goethe, Der Tragödie erster Teil, Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar, 1965, S. 35ff


 

Wir hoffen, Sie konnten unser kleines Kulturprogramm genießen.

Ihr freundliches Zugpersonal setzt alles daran, dass es – in momentan unabsehbarer Zeit – möglich sein wird, die Reise nachzuholen. Überstehen Sie diese Zeit gesund und munter, sodass wir Sie alle bei unserem nächsten „richtigen“ Musikalisch-Literarischen-Abend wieder herzlich begrüßen können.

Vielen Dank an alle „digitalen MuLiAb-Teilnehmer“

  • Jieoh Ahn, 7c
  • Julietta Tauber, 7c
  • Lara Oyunaa Neumann, 7c
  • Julian Großmann, 12/4
  • Lea Nicolas, 12/1

Zudem danken wir besonders Frau Frohs für ihre Unterstützung sowie die beiden literarischen Beiträge.

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Redaktion & Layout: Ingrid Hering, Gabriel Muck